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Channel: Torsten, Autor bei Torsten Landsiedel
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Fragen, die ich mir gerade stelle …

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Ich habe in den letzten Wochen viele meiner Community-Tätigkeiten niedergelegt. Nach vielen Jahren des Altruismus und Idealismus musste ich feststellen, dass die Welt um mich herum nicht stehen bleibt und nicht idealistischer wird. Somit verkam meine Tätigkeit, die doch Gutes schaffen sollte, zu einem Zementieren der Selbstausbeutung, die dieses System antreibt. Leicht war das nicht aus diesem Hamsterrad auszusteigen, daher musste dies leider recht hart von einem Tag auf den anderen passieren. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich mich aus vielen Bereichen zurückgezogen und bei den bestehenden Tätigkeiten habe ich die Zeit deutlich heruntergefahren.

Ich will euch gar nicht mit den Details langweilen, die nur mich persönlich betreffen, aber ich möchte ein paar Fragen stellen. Diese Fragen umtreiben mich gerade und mir will zu vielem keine leichte Lösung einfallen. Ich hoffe auf eine spannende Diskussion in den Kommentaren.

***

Warum glauben manche eigentlich, dass sie etwas zurückgeben müssen oder zumindest sollten? Und warum interessiert diese Frage so viele andere überhaupt rein gar nicht. Wieso fühlt man sich zum Beispiel WordPress.COM (der Bloghoster, nicht das Open-Source-Projekt) verpflichtet, obwohl es doch ein kommerzielles Unternehmen ist? Ist das Schreiben eines kostenlosen Plugins mein Privatvergnügen oder fällt das schon unter Contributen? Wie soll ein Freelancer ohne Agentur oder Firma überhaupt noch das Geschehen verfolgen können, bei so vielen Channeln, Tracs, Blogs, etc.? Wer nicht extra dafür freigestellt ist (und weiter bezahlt wird!), der hat doch inzwischen keine Chance mehr so weit in der Hierarchie aufzusteigen, um ernsthaft etwa in WP bewegen zu können?

Wenn die Basis von diesem Projekt und allem drumherum doch der Open-Source-Gedanke ist, der darauf basiert, dass wir den Quellcode anderer einsehen und analysieren können, warum reagieren dann viele Entwickler so gereizt wenn sie auf Fehler oder Probleme hingewiesen werden? Und warum sind so viele Anwender so unglaublich taktlos, als ob die Entwickler diese Fehler absichtlich eingebaut hätten, nur um sie zu ärgern?

Und wann ist eigentlich aus der ach so beschaulichen WP-Community dieses Haifischbecken geworden, wo es nur noch um knallhartes Geschäft geht?

Warum ist die Gravatar-Funktion fest in WordPress verbaut, obwohl Gravatar.com ein Projekt von Automattic ist? Ist das nicht Plugin-Territorium? Und warum zur Hölle benötige ich eine externe Funktion, nur um herauszufinden, ob nun ein echter Gravatar existiert oder ein Default-Bild kommt.

Wieso verbieten die Regeln des Theme Review Team das Benutzen von Shortcodes/CPTs/etc. aus Gründen der Probleme beim Theme-Wechsel, wenn gleichzeitig das Plugin-Review-Team Plugins explizit erlaubt, auch wenn die nur für ein(en) Theme(-Hersteller) funktionieren, womit die ganze Idee (Funktion bleibt beim Theme-Wechsel bestehen) wieder ad absurdum geführt wird?

Wieso wird immer von flachen Hierarchien und Meritokratie gesprochen, wenn es doch am Ende irgendwann elitär und intransparent wird und aus Ressourcen-Mangel der Menschen mit den notwendigen Rechten auch systemimmanent werden muss? Früher nannte man so etwas Schildbürgerstreich. Wer ist eigentlich zuständig? Wo bekomme ich den Passierschein A38? Wer hat die Rechte? Wer hat die Zeit? Ist das überhaupt so wichtig? Wer darf überhaupt die Entscheidung treffen? Und uns Deutschen wirft man immer Vereinsmeierei vor. 10 Jahre Jugendpresse waren nicht halb so schlimm wie 10 Jahre WordPress.

Warum gibt es das Q&A-Format auf WordCamps eigentlich? Ich habe noch nie eine echte Information aus einer Q&A herausbekommen. Selbst wenn es berechtigte Fragen gibt, dann werden die bestimmt nicht in der Q&A direkt beantwortet. Bleiben also nur generische Aussagen wie „Ja, wichtige Frage, danke für das Ansprechen dieses Themas, wir werden uns das in Zukunft genauer anschauen, …“ – 99% dieser Antworten kann ich geben ohne die konkrete Frage gehört zu haben. Brauchen wir dieses überflüssige Format?

Niemand kann als Entwickler alles wissen, das ist völlig klar. Aber wenn ich Code woanders hernehme, dann gebe ich an, woher der Code kommt und ob ich ihn ggf. ergänzt habe. Wie kann man zu einer Open-Source-Community gehören und diesen einfachen Grundsatz nicht verstanden haben? (Ausnahmen bestätigen die Regel – mir geht es hier um das bewusste Schmücken mit fremden Federn).

Und wieso verstehen so viele Anwender dieses Prinzip noch weniger (also überhaupt nicht), melden sich im Forum per Mail, Twitter, etc. und formulieren die Fragen so als ob wir ein Unternehmen wären und sie Anspruch auf einen (bezahlten!?) Support hätten? Wer Verzweiflung erleben und den Glauben an die Menschheit verlieren möchte, der muss sich mal die Mails anschauen, die über das Kontaktformular von de.wordpress.org hereingekommen sind (als es noch offen war).

In einer Projektorganisation, die auf Freiwilligkeit basiert, wie kann es da sein, dass Pflichten erweitert werden, ohne dass die „Betroffenen“ überhaupt gefragt werden? Da werden Ziele definiert, die niemals im eigentlich alles entscheidenden Team besprochen wurden. Gibt sich das Team nicht selbst die Ziele? Und wenn sie „von oben“ kommen. Wer oder was ist dieses „oben“ und wer hat es (oder besser ihn) eigentlich legitimiert? Oder ganz konkret: Wieso bespricht Matt die Visionen nicht bevor er sie verkündet und selbst die Team Reps damit überrascht und vor den Kopf stößt?

***

Ich habe mich in den letzten Jahren immer wieder gefragt, warum nicht viel mehr Leute die Aufgaben aufnehmen, die so in der deutschen Community-Welt herum existieren. Meetings in Slack verkünden, organisieren, protokollieren. Kontakt aufnehmen, halten und Rückkanal etablieren zwischen internationalen Teams und deutschsprachigen Teams. Tickets bearbeiten, die speziell für uns interessant sind. Etc.

Neuerdings drängt sich mir der Gedanke auf, dass nicht alle anderen es falsch machen, sondern ich. Plugins übersetzen für Firmen, die sich eine professionelle Übersetzung selbst leisten können? Bürokratischer Erfüllungsgehilfe sein ohne echte Mitsprache über den eigenen Arbeitsbereich? Nicht mehr mit mir.

Da hatte letztens Pascal (aka swisspidy) einen erhellenden Tweet vom Drupal-Camp für mich:

Und genau das werde ich in Zukunft tun. Blöde Frage im Forum. Tab geschlossen. Über meinen Kopf werden Entscheidungen getroffen, die meine freiwillige Arbeit betreffen. Bin weg. Auch mit den verbleibenden Jobs, werde ich immer noch mehr als gut ist für WP „opfern“. 5% for the future wären bei einer 40-Stunden-Woche nach meiner Berechnung 2 Stunden in der Woche. Mein Ziel für die Zukunft wird sein, diesen Wert nicht zu überschreiten. Das wird schwer genug werden. Viel zu häufig war das ein Wert den ich schon pro Tag überschritten habe …


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